Die moderne Sklaverei ist ein globales Problem und fordert Millionen von Opfern. Die Gründe und Ursachen für den Menschenhandel sind komplex und vielfältig und sind von sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren geprägt. Sie stehen in engem Zusammenhang mit der Globalisierung, der Handels- und Migrationspolitik, der Lage auf den Arbeitsmärkten, dem Armutsgefälle und humanitären Notsituationen. Nicht außer Acht zu lassen sind die mangelnden Entwicklungschancen für die einzelnen Personen in den Herkunftsländern und die immer weiter steigende Nachfrage nach billigen und leicht auszubeutenden Arbeiter*innen in den Zielländern.
Der Menschenhandel wird im Kontext mit sich überschneidender Formen der Unterdrückung aufrechterhalten. Kulturelle Unterdrückung birgt das Risiko, dass die Prävention und Intervention vor besondere Herausforderungen gestellt werden.
Um aktiv dem Menschenhandel entgegenzuwirken und diesen zu beenden ist es notwendig Faktoren, welche die Anfälligkeit dafür erhöhen, mit einzubeziehen. Diese beinhalten Diskriminierungen auf allen Ebenen (Diskriminierung = die Benachteiligung von Menschen im Zusammenhang mit gewissen Merkmalen wie Geschlecht, Hautfarbe, ethnische oder soziale Herkunft, Sprache, Religion, sexuelle Orientierung).
Verankerte Vorurteile in der Gesellschaft
Um die Überschneidung von Rassismus, ethnischer Voreingenommenheit und Menschenhandel vollständig zu berücksichtigen, muss man diese Konstrukte verstehen. Menschenhandel ist die Ausbeutung von Menschen durch Gewalt, Betrug oder Zwang, womit eine besondere Art von Trauma entsteht. Voreingenommenheit und Vorurteile beziehen sich auf die negativen Einstellungen gegenüber Mitgliedern einer Gruppe.
Durch den Akt der Entmenschlichung gewisser Personengruppen und dem Zuschreiben von schuldhaften und negativen Eigenschaften, schafft eine Gesellschaft den Rahmen, in dem es akzeptiert und einfach hingenommen wird, wenn die Betroffenen verletzt, ausgebeutet und schikaniert werden. Diese weitreichenden und tief verankerten negativen Vorurteile gegenüber ethnisch marginalisierter Gruppen, tragen zur Akzeptanz des Handels und der Ausbeutung der Menschen bei. Vorurteile, Voreingenommenheit und in den Köpfen fest verankerte Stereotype agieren als Rechtfertigung für diskriminierendes Verhalten.
Personen ohne Papiere, neu migrierte, anders aussehende und/oder nicht die Sprache des Ziellandes beherrschende, werden häufig als Verbrecher, unmoralisch und des Schutzes und der Versorgung unwürdig dargestellt. Neben der Verbreitung von Stereotypen oder Opferbeschuldigungen, erhöht die kulturelle Unterdrückung das Risiko für Menschenhandel durch die Verweigerung des Zugriffs auf notwendige Ressourcen, wie sicheres Wohnen, einen lebenswerten Lohn, Bildung, sichere Kinderbetreuung und Schutz nach dem Gesetz. Ethnisch marginalisierte Gruppen sind einem erhöhten Risiko für Armut, Obdachlosigkeit, minderwertiger Bildung, und Gewaltakten ausgesetzt. Jeder dieser Faktoren erhöht das Risiko für den Menschenhandel.
Spezielle Benachteiligung bei Frauen
In einigen Ländern werden durch Diskriminierung und Ungleichheit des Geschlechts Frauen und Mädchen unverhältnismäßig anfälliger für Zwangsprostitution als Männer. Viele weibliche Personen werden auf diesem Weg systematisch in die Hände von Menschenhändlern getrieben. Somit sind beispielsweise Frauen, die bereits Opfer von sexuellem Missbrauch oder Gewalt sind, anfälliger dafür. Dies wird durch Diskriminierung, einem schlechten bzw. keinem Zugang zu Bildung und Arbeit, einer schwierigen politischen und wirtschaftlichen Situation und einer komplexen Familiensituation verschärft.
Im Hinblick zum Zielland des Menschenhandels ergeben sich andere Problematiken. Rassistische, ethnische und geschlechtsspezifische Diskriminierung können in Kombination eine hohe Nachfrage nach marginalisierten Personen schaffen. Dies trifft speziell auf Frauen und Kinder zu, welche als Ware angesehen werden. Weibliche Personen aus Asien Afrika und Südamerika kämpfen zusätzlich mit den Realitäten der sexuellen Stereotypisierung. Diese auf Ethnizität basierenden Vorurteile beinhalten Annahmen über sexuelle Verfügbarkeit, Unmoral, Promiskuität, Animalismus und Erotik.
Stereotypisierung und Diskriminierung dienen oft zusätzlich als Mechanismen zur Rekrutierung und Unterdrückung von Opfern. . Frauen mit bestimmten ethnischen Hintergründen, wie z. B. asiatische Frauen, werden von Natur aus als gehorsam und unterwürfig wahrgenommen, was für manche wünschenswerter für Hausarbeit oder bei Zwangsprostitution ist. (Quelle: Thema Bryant-Davis & Pratyusha Tummala-Narra (2017) Cultural Oppression and Human Trafficking: Exploring the Role of Racism and Ethnic Bias, Women & Therapy)
Verankerte Vorurteile auch bei Fachpersonal
Menschenhandel bringt psychologische Auswirkungen und Trauma mit sich. Depressionen, Angstzustände, Sucht, Scham, Hoffnungslosigkeit und Vertrauensprobleme sind nur einige davon. Erschwerend dazu kommt die Stigmatisierung und Diskriminierung im Zusammenhang mit dem Menschenhandel.
Schaffen es die betroffenen Personen aus der Situation herauszukommen, so sind sie noch immer nicht vor Diskriminierung bewahrt, denn die gesellschaftliche Stigmatisierung macht auch vor Fachpersonal keinen Halt. Sprachliche Kommunikationsschwierigkeiten und fehlendes Verständnis für den kulturellen Kontext, aus dem die Opfer kommen, erschweren häufig die Hilfeleistung.
Betroffene haben bereits öfters über Diskriminierung durch Justizbeamte berichtet. Auf die ethnische Zugehörigkeit basierende Vorurteile beeinflussen oftmals die Hilfestellung. Ebenso könnten Therapeuten glauben, dass das Hauptproblem einer rassistisch und ethnisch marginalisierten Frau ein Mangel an Verantwortung, Moral und Werten ist. Diese Art der Opferbeschuldigung ist allgegenwärtiger als man denkt und zeigt die Folgen der systemischen Unterdrückung auf.
Bewusstseinsschaffung
Die moderne Sklaverei erfordert eine sektorenübergreifende Reaktion. Es besteht die Notwendigkeit für ein verstärktes öffentliches Bewusstsein für Menschenhandel, das durch Bildung erzielt werden kann. Es bedarf viel größerer Aufmerksamkeit für die Art und Weise, wie Diskriminierung das Risiko der Ausbeutung erhöht und auf den Menschenhandel einwirkt. In diesem Zusammenhang ist besonders die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu nennen. Durch die Bewusstseinsbildung können Schritte zur Besserung in den Herkunfts- und Zielländern unternommen werden.