Menschen, die aus der Ausbeutung aussteigen wollen, brauchen Hoffnung und eine reale Perspektive in der Erwerbsarbeit. 2015 hat die Gründerin Andrea Staudenherz in Wien mit dem Verein HOPE FOR THE FUTURE einen Anker der Hoffnung für Menschen gesetzt, die nicht länger in der Prostitution arbeiten wollen oder Betroffene von Menschenhandel waren. Ausgehend von der aufsuchenden Sozialarbeit des Vereins HERZWERK entwickelte Andrea gemeinsam mit Renate Bárány ein Programm zur Arbeitsintegration. In diesem Beitrag wollen wir die Geschichte von HOPE FOR THE FUTURE vorstellen und erklären, wieso die Arbeit unseres Vereins so wichtig ist.
Die meisten Fälle von Menschenhandel in Österreich haben sexuelle Ausbeutung zum Ziel, die auch im Rahmen der gesetzlich geregelten gewerblichen Prostitution stattfindet
In Österreich ist die Prostitution gesetzlich im jeweiligen Bundesland geregelt. Als Prostitution gilt "die gewerbsmäßige Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder die gewerbsmäßige Vornahme sexueller Handlungen." Sie wird in Lokalen, als Hausbesuch und auf den Straßen Wiens ausgeübt. Menschen, die in der Prostitution arbeiten, tun dies als neue Selbständige, eine Anstellung ist nicht möglich. Im Jahr 2017 waren in Wien 316 Prostitutionslokale gemeldet. Menschen, die in Wien in diesem Bereich legal arbeiten wollen, müssen sich beim Magistrat anmelden, regelmäßig ihre Gesundheit untersuchen lassen, Sozialversicherungsbeiträge zahlen und eine Meldung beim Finanzamt machen.
Genaue Zahlen zu den von sexueller Ausbeutung betroffenen Menschen gibt es nicht, da Behörden und Institutionen zu wenig Wissen haben über die Mechanismen des Menschenhandel und der im Prostitutionsgewerbe stattfindenden sexuellen Ausbeutung. Die Organisation FOOTPRINT meint dazu: "In Wien wird der Marktanteil der illegalen Prostitution etwa auf das Doppelte des legalen Marktes geschätzt. Die meisten registriert arbeitenden Sexdienstleisterinnen in Österreich sind Migrantinnen, etwa 85-90 Prozent (Quelle: Bundeskanzleramt). Die Nachfrage nach Prostitution sei laut Bundeskriminalamt ungebrochen hoch. Viele Frauen, die in Österreich Sexdienstleistungen anbieten, kommen etwa aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn, der Slowakei, Tschechien, Polen oder Nigeria." Die Verfolgung der Verbrechen des Menschenhandels und der Ausbeutung gestaltet sich schwierig, es sind dazu auch Aussagen der Betroffenen relevant, die oft eingeschüchtert und hoffnungslos in Abhängigkeitsverhältnissen verstrickt sind und sich somit nicht an die Behörde wenden.
Unterstützung bei der Arbeitsintegration ermöglicht den betroffenen Menschen den Ausstieg aus ausbeuterischen Verhältnissen
Der Ausstieg für Betroffene von sexueller Ausbeutung kann meist überhaupt erst gelingen, wenn die Betroffenen selbst eine realistische Perspektive sehen ihr Geld auch aus einer anderen Tätigkeit gewinnen zu können. Die 2015 gegründete Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel schildert den Zusammenhang von Prostitution und Menschenhandel so: "Sexuelle Ausbeutung findet häufig im Kontext der Prostitution statt. Sie wird durch das Fehlen von Arbeitsrechten, Regelung von Mindestlöhnen sowie anderer Schutzvorschriften (wie Mutterschutz) bzw. der Festlegung von Obergrenzen für Raummieten gefördert, da die betroffenen Personen unter großem finanziellen Druck Arbeitsbedingungen und Praktiken akzeptieren müssen, die sie grundsätzlich ablehnen. Der finanzielle Druck wird auch dadurch erhöht, dass Menschen in Prostitution wiederholt für Fehlverhalten von Kund*innen verwaltungsstrafrechtlich belangt werden." Erst wenn die Betroffenen eine realistische Möglichkeit sehen dem finanziellen Druck zu entkommen, können sie tatsächlich ein Leben außerhalb des Gewerbes aufbauen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass vor allem für Frauen und Männer, die Opfer sexueller Ausbeutung waren, die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt ohne vorbereitende Maßnahmen kaum möglich ist. Nach den traumatisierenden Erlebnissen in den verschiedenen Formen der Ausbeutung gilt es in erster Linie wieder psychisch stabil zu werden und langsam in einen geregelten Alltag zurückzufinden. Da ein Großteil der Betroffenen aus dem Ausland kommt und sie kaum Deutschkenntnisse vorweisen können, stehen sie auch diesbezüglich vor einer weiteren Herausforderung.
Andrea Staudenherz kannte die Bedingungen für Menschen, die in Wien in der Prostitution arbeiten bereits gut durch ihre Arbeit in der aufsuchenden Sozialarbeit des Vereins HERZWERK bevor sie sich 2015 dazu entschloss HOPE FOR THE FUTURE zu gründen. "Das Thema Menschenhandel und Prostitution ist mir schon mehrere Jahre auf dem Herzen gelegen. Ich war bereits ehrenamtlich tätig, im Straßenteam unserer Partnerorganisation Herzwerk, die ich beinahe seit ihrer Entstehung kenne. Ich habe mich mit der Leiterin über die Jahre hinweg immer wieder ausgetauscht und mir war klar, dass ich etwas beitragen möchte. Doch die Frage war: Was macht wirklich Sinn? Schließlich reifte der Gedanke in Richtung Arbeitsintegration."
HOPE FOR THE FUTURE ergänzt das Unterstützungsangebot für Menschen, die von Ausbeutung betroffen sind, um ein wesentliches Element
Wenn nun Menschen der Ausbeutung den Rücken kehren wollen, ist die Frage nach neuen beruflichen Möglichkeiten oft nur schwer zu beantworten. Genau bei dieser vermeintlichen Ausweglosigkeit setzt das Workshop-Programm von HOPE FOR THE FUTURE an. "Für Menschen in Prostitution und Betroffene von Menschenhandel gab es bereits Rechtsberatung, Streetwork und Schutzhäuser. Doch niederschwellige Arbeitstrainings und Workshops für die Integration in den Arbeitsmarkt fehlten – wir schließen diese Lücke.", so die Obfrau Andrea Staudenherz über HOPE FOR THE FUTURE.
Bei Betroffenen der sexuellen Ausbeutung geht es um Menschen, die immer wieder vergewaltigt und sexuell missbraucht worden sind, viele bereits das erste Mal als Kind von einem Verwandten oder Freund der Familie. Logischerweise hinterlassen diese Erlebnisse seelische Narben. Viele kämpfen in späterer Folge mit Alkohol-oder Drogenproblemen. Solche vom Leben gezeichnete Menschen können nicht von einem Tag auf den anderen in einem geregelten Arbeitsverhältnis Fuß fassen. Vielmehr braucht man viel Geduld diese Frauen und Männer wieder in einen normalen Alltag zurückzuführen. Dinge wie Pünktlichkeit oder ein Anruf, wenn man krank ist, sind eine Selbstverständlichkeit, doch Menschen, die bis dato praktisch rund um die Uhr in einem Studio für Sex zur Verfügung standen und gleichzeitig dort lebten, müssen überhaupt erst einmal wieder einen anderen Tagesrhythmus lernen.
Der Wiener Verein HOPE FOR THE FUTURE bietet aktiv Möglichkeiten für einen beruflichen Neuanfang. Die Schwerpunkte liegen hierbei in der Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt, Unterstützung bei der Arbeitssuche und der Vermittlung von Weiterbildungsmöglichkeiten. Gründerin Andrea Staudenherz betont das Selbstverständnis des Vereins als gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, deren Arbeit darauf ausgerichtet ist, KlientInnen effektiv und nachhaltig zu unterstützen.
"Im Moment haben wir sieben Angestellte und siebzehn Ehrenamtliche in den verschiedensten Bereichen, doch wir haben nach wie vor Bedarf für mehr ehrenamtliche MitarbeiterInnen." Der Verein bietet ein Workshop-Programm mit Näh-Werkstatt, Deutschkursen, Kursen zu Grundkenntnissen der Textverarbeitung und Self-Empowerment-Training an.
Die meisten KlientInnen, die zum Verein kommen, haben noch keine Erfahrung mit dem Nähen und trauen es sich auch oft nicht zu. Zuerst wird ihnen die Nähmaschine erklärt, dann lernen sie, eine gerade Naht zu nähen und Schritt für Schritt gelingt es ihnen, eine Tasche zu nähen. "Es ist immer wieder schön zu sehen, wie sich die Frauen (und manchmal auch Männer) freuen, wenn sie ihre erste Tasche genäht haben, die sie auch behalten dürfen. Sie freuen sich, dass sie das selbst geschafft haben und mit der Zeit wächst ihr Selbstvertrauen.", so Andrea Staudenherz. Weiters bietet der Verein Deutschtrainings für AnfängerInnen und Fortgeschrittene an.
Nach Jahren des Überlebenskampfes endlich eine neue Perspektive finden
Ohne realistische Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt ist ein Ausstieg aus der Prostitution oder ausbeuterischen Zwangsverhältnissen kaum möglich. Der Verein HOPE FOR THE FUTURE hat seit der Gründung bewiesen, dass das Angebot eine Lücke in der Unterstützung von Menschen, die Betroffene von Menschenhandel oder sexueller Ausbeutung wurden, schließt. Seit der Gründung hat sich die Zahl der teilnehmenden Trainees im Workshop-Programm knapp vervierfacht. Knapp 80 Personen konnten bereits im Rahmen des Programms Hoffnung schöpfen und sich eine neue Zukunft aufbauen, jenseits der Ausbeutung. Für manche von Ihnen ist es nach Jahren des Überlebenskampfes eine ganz neue Erfahrung Vertrauen aufzubauen, sich Ziele zu setzen und sich eine neue Perspektive zu schaffen.
Der Verein finanziert sich durch Spendengelder und kann sein Programm nur durch den zusätzlichen
Beitrag aus vielen ehrenamtlich geleisteten Arbeitsstunden aufrechterhalten. Spenden Sie, erwerben Sie im Webshop eines der einzigartigen Produkte, das in der Nähwerkstatt entstanden ist oder veranstalten Sie eine Home-Party, bei der auch ihre Freunde
und Bekannten die einzigartigen Werkstücke erwerben können. Informieren Sie sich auch über die Bereiche in denen der Verein ehrenamtliche
MitarbeiterInnen sucht und teilen Sie die Informationen mit anderen.Gemeinsam können wir neue Hoffnung schaffen.